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Geschichte und Schicksal der Juden von Kornelimuenster

Book
Wagemann, Rudolf
Nach dem Jahr 1200 gab es in Aachen bereits eine „Judengasse“. Es gab also ein jüdisches Viertel. Mit dem 1. Kreuzzug (1095/ 96) setzte eine mehr als 300-jährige Zeit der Pogrome und Vertreibungen von Juden aus den Städten ein, so aus Köln: 1424 und Mainz: 1438, den Reichsstädten mit den grössten jüdischen Gemeinden am Rhein. Sie flüchteten ins ländliche Umfeld der Städte. Als das Herzogtum Jülich begann, jüdische Flüchtlinge auszuweisen, fand ein kleiner Teil Aufnahme im Gebiet der Reichabtei. Das dürfte nicht viel nach 1500 gewesen sein, denn ein Sterbebuch von St. Stephan berichtet 1610 von einem Mord „am Judenfriedhof.“ Das Steuerverzeichnis der Reichsabtei belegt für das Jahr 1684 die Zahl von 7 Familien. In Kornelimünster lebten 3 davon. Am 3. Februar 1686 wurde in Elsdorf ein angeblich betrügerischer Pferdehändler Isaak aus Hahn gehängt. Aus dem Jahr 1694 datiert das von Abt Gevertzhagen erteilte Patent, das dem „Michaelen Salomons Juden“ für 5 Goldgulden im Jahr Schutzgeleit bot. Davon waren 2 Goldgulden für die Aufnahme des alten Vaters zu zahlen. Bei einer damaligen Familiengrösse von 6 bis 8 Personen, zählte die kleine Gemeinde um die 20 Köpfe. Erst die Zählungen der Franzosenzeit, von 1794 bis 1814, geben ein genaueres Bild der jüdischen Gemeinde, deren Mitglieder sich alle mit Viehhandel, Schlachterei und Metzgerei beschäftigten. Bis 1875 stieg die Gemeindestärke auf 55 Personen in 11 Haushalten. Immer noch waren die meisten Männer im alten Gewerbe. Hinzugekommen waren die zwei Warenhandlungen von Norbert Kaufmann und Mathias Andre´. Es waren die einzigen im Ort. - Bis nach 1900 ging die Gemeinde durch Abwanderung in die Städte, vor allem nach Aachen, stark zurück. Bis 1920 wuchs sie wieder auf 29 Personen an. Aufgrund der bereits seit Mitte der 1920-er Jahre regen NS-Aktivität im Ort, war Hilfe für die jüdischen Familien erschwert. Im Sommer 1941 wurden Hermann, Therese und Tochter Berta Andre´, als letzte der Gemeinde, von Ihrem Anwesen „Neufronhof“, Dorffer Strasse 53, vertrieben. Nach Einrichtung des Synagogenbezirks Aachen, um 1855, bildeten die jüdischen Bürger offiziell die Filialgemeinde Kornelimünster in der Synagogengemeinde Aachen. Zu einer Synagoge hat die hiesige Filialgemeinde es nicht gebracht, nur zu einem schlichten Betlokal. - Von den 12 Gemeinden des Landkreises hatten, neben Kornelimünster, nur drei weitere ein Betlokal, keine Gemeinde eine Synagoge. - Der 13-jährige wird mit der „Bar Mizwa“ zum „Sohn des Gebotes“ und damit volljährig im religiösen Sinn. Das gemeinsame Gebet erfordert mindestens zehn volljährige Männer, hebräisch:„Minjan“. - Als, nach über 50 Jahren, 1931 diese Vorbedingung wieder erfüllt war, hatte das letzte Betlokal schon dem Bau der Umgehungsstrasse weichen müssen. Neben der kleinen Indebrücke weist eine Hinweistafel von J. Kreiten auf den früheren Standort des Hauses „Brennes“ hin, wohl eine frühere Brennerei. In seinem Obergeschoss befand sich, seit etwa 1870, das lezte jüdische Betlokal.- Einheimische nannten nicht selten das Betlokal: „Die Synagoge.“ Seit 1845 besass die Gemeinde ihren heutigen Friedhof. Neben 29 Grabsteinen findet der Besucher einen Gedenkstein für die Ermordeten der Familie Hermánn Andre´. Eine Gedenktafel des Heimat – und Eifelvereins erinnert, am Treppenaufgang zu den Friedhöfen, namentlich an alle 13 Holokaustopfer der jüdischen Gemeinde. Nur eine Familie konnte vollständig vor dem Holokaust nach Südafrika fliehen.- Drei Überlebende des Holokausts kehrten nach 1945 nach Kornelimünster zurück. Im Jahr 2016 starb in Aachen, als letzte aus der untergegangenen jüdischen Gemeinde, Frau Haita Kaufmann, im Alter von 101 Jahren.