Synagoge in der Levetzowstrasse, Berlin Moabit-Tiergarten
Bahnhof Grunewald, Berlin
Personenzug
Sobibor,Vernichtungslager,Polen
Vor dem Transport erhielten die zu Deportierenden eine Benachrichtigung über ihren bevorstehenden Abtransport, darunter die üblichen Anweisungen für Transporte aus dem Reich. Bis zu 50 kg Gepäck waren erlaubt. Sie erhielten auch ein Formular, in dem ihr verbliebenes Vermögen einzutragen war. Oftmals wurden die betroffenen Juden von Gestapomännern oder von jüdischen Ordnern, die von der SS eigens dafür angeheuert worden waren, zum Sammellager gebracht. Sie drangen gewaltsam in Wohnungen von Juden ein, deren Namen auf der Deportationsliste standen, und stellten sicher, dass die Bewohner zum Abtransport bereit waren. Die Opfer hatten einige Minuten, um sich fertigzumachen und mussten dann ihre Wohnungen für immer verlassen. In diesen Fällen konnten sie nur wenig Gepäck mitnehmen. Auf der Straße mussten sie einen Lastwagen besteigen, mit dem auch andere Juden abgeholt wurden. Anschließend wurden sie zum Sammellager in die Synagoge Levetzowstraße 7-8 im Berliner Stadtteil Tiergarten gebracht. Nach der Ankunft in der Synagoge, wo sie von Schutzpolizisten bewacht wurden, wurden die Identität und der verbleibende Besitz der jüdischen Opfer umfassend registriert. Dieser Vorgang wurde oft von brutalen Misshandlungen begleitet. Die Gestapo zwang sie, ihr Eigentum aufzulisten und ihre Wohnungsschlüssel abzugeben. Dann mussten sie ein Dokument unterzeichnen, in dem sie auf ihren gesamten Besitz verzichteten und diesen dem Staat übertrugen. Sie wurden auch gezwungen, sämtliche Wertgegenstände und mitgeführtes Bargeld abzugeben. Zeitweise drängten sich mehr als 1.000 Menschen in der Synagoge und warteten tagelang auf die Abfahrt ihres Transports. Sie schliefen auf dem Fußboden oder auf Strohsäcken. Die hygienischen Bedingungen waren katastrophal und der Gemütszustand der Deportierten war entsprechend. Am Ort waren Ärzte und Krankenschwestern, die so gut es ging zu helfen versuchten, dennoch erlitten einige Menschen Nervenzusammenbrüche und manche begingen sogar Selbstmord. Nach Abgang des Transports bot die Gestapo die jüdischen Besitztümer in einer Auktion zum Verkauf an.
Am 13. Juni wurden alle Deportierten vom Sammellager zum Bahnhof Grunewald gebracht. Die nicht Gehfähigen wurden auf Lastwägen dorthin gebracht, während die anderen ca. sieben Kilometer durch die Stadt gehen mussten. Am Bahnhof standen von der Gestapo bestellte und von der Reichsbahn bereitgestellte Passagierwaggons dritter Klasse bereit und den Deportierten wurde befohlen einzusteigen. Dieser Transport fuhr am selben Tag ab. Es war der Fünfzehnte von über 60 Transporten aus Berlin in den Osten (Osttransporte), in denen insgesamt mehr als 35.000 Juden aus Berlin in die Ghettos und Vernichtungslager in Osteuropa deportiert wurden. Der Transport bestand aus bis zu 1.030 Männern, Frauen und Kindern. An Bord waren bis zu 748 Juden aus Berlin und bis zu 280 aus Potsdam, die dritte Deportation aus der Stadt und ihrem Umland. Im Transport befanden sich auch mindestens 24 Kinder und drei Erzieher der „Israelitischen Erziehungsanstalt für geistig zurückgebliebene Kinder“ aus Beelitz, einer Stadt 22 Kilometer südlich von Potsdam. Diese Gruppe, darunter Sally Bein (geb. 1881), der Leiter der Einrichtung, hatte Beelitz bereits am 2. Juni verlassen. Sie wurden vermutlich bis zur Abfahrt des Transportes in Berlin festgehalten.
Während der Fahrt wurden die Juden von einem 15 köpfigen Wachkommando der Schutzpolizei unter einem Befehlshaber bewacht. Das Ziel wurde ihnen nicht mitgeteilt und nach zwei Tagen in überfüllten Waggons kamen sie am 15. Juni im Vernichtungslager Sobibor an. Unterwegs hielt der Zug am Bahnhof in Lublin, wo eine unbekannte Zahl von arbeitsfähigen Männern im Alter zwischen 15 und 50 ausgewählt wurde. Diese Männer wurden ins Konzentrationslager Majdanek gebracht....
Kurt Jakob Ball-Kaduri, "Berlin wird judenfrei. Die Juden in Berlin in den Jahren 1942/1943," in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Osteuropas 22 (Berlin: Colloquium Verlag, 1973), p. 196-241
Klaus Dettmer, "Die Deportationen aus Berlin", in: Wolfgang Scheffler, Diana Schulle (ed.), "Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden", Vol. 1, (München: Saur, 2003) p. 191-197