Transport XII/1, Zug Da 503 von Frankfurt am Main, Frankfurt a. Main (Wiesbaden), Hessen-Nassau, Deutsches Reich nach Theresienstadt, Getto, Tschechoslowakei am 18/08/1942

Transport
Departure Date 18/08/1942 Arrival Date 19/081942
Altersheim in der Rechneigrabenstrasse, Frankfurt am Main
Gleis 40, Ostfluegel der Grossmarkthalle
Personenzug
Theresienstadt,Getto,Tschechoslowakei

Der erste Transport fuhr am Dienstag, dem 18. August 1942 mit Zug Da 503 ab. In diesem Transport befanden sich 1.009 – 1.013 Juden, darunter 678 Bewohner von jüdischen Altersheimen in Frankfurt. Viele der Altersheime der Stadt wurden von der Fürsorgeabteilung der jüdischen Gemeinde finanziert. Deren Aktivitäten standen unter der ständigen Kontrolle und Überwachung des zuständigen Beamten Ernst Holland, der im Auftrag der Gestapo und der Stadtverwaltung tätig war. Er war die einflußreichste Person in der Durchführung der antijüdischen Maßnahmen in Frankfurt am Main. Durch die Deportation der Altersheimbewohner war Holland in der Lage, das Geld, welches bisher deren Lebensunterhalt finanziert hatte, einzusparen und seine Vorgesetzten über den Anstieg der Nettoprofite zu informieren. Lina Katz, die von Mai 1937 bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt im August 1942 für die jüdische Gemeinde tätig war, berichtete: „Die Verwaltung unterstand mehr und mehr dem Befehl der Gestapo Lindenstraße, die uns täglich durch einen Mittelmann Anweisungen zukommen ließ. Dies spielte sich folgendermaßen ab. Herr Rothschild hatte sich jeden Morgen bei der Gestapo zu melden und beim Eintritt in das Zimmer laut zu verkünden: hier ist der Jude Sigmund Israel Rothschild. Die Beamten gaben ihm alsdann ihre Aufträge. Im Frühjahr 1941 erhielten wir die Anweisung, die Kartothek der gesamten Gemeindemitglieder in dreifacher Ausfertigung neu zu schreiben. Auf jeder Karte mußten die zugehörigen Familienmitglieder in einer besonderen Rubrik (am Fuße der Karte) eingetragen werden, so auf die Karte des Ehemannes die Ehefrau und die Kinder. Als wir diese Arbeit beendet hatten, erhielten wir eines Tages durch Rothschild eine Liste, auf der etwa 1200 Personen verzeichnet waren. Die Liste hatte drei Rubriken, vorn die Namen, die beiden anderen noch unausgefüllten mußten von uns mit dem früheren Beruf und dem jetzt im jahre 1941 ausgeübten Beruf ausgefüllt werden. Die Liste war zur Gestapo zurückzusenden (...). Im August 1942 erhielten wir eine Liste, welche die Altersheime und das Krankenhaus in der Gagernstraße räumten. Da mein Mann im Krankenhaus Gagernstraße lag, habe ich mich mit auf die Liste schreiben lassen. Wir kamen nach Theresienstadt. Ich habe überlebt. Mit mir nach Theresienstadt wurden im gleichen Transport deportiert Frau Hedwig Kracauer, die Witwe des Professors Isidor Kracauerm des Geschichtsschreibers der Frankfurter Juden, und ihre Schwester, die Mutter des Redakteurs der Frankfurter Zeitung, Dr. Siegfried Kracauer.“ Die Deportierten in diesem Transport fuhren von zwei Sammellagern ab, eines befand sich im Altersheim in der Rechneigrabenstraße 18-20, und das andere am Hermesweg 5-7, wo die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland ihre Büros hatte. Vor der Abfahrt des Transportes unterschrieben die älteren Juden einen „Heimeinkaufsvertrag“ der ihnen den Kauf einer Wohnung im „Altersghetto“ Theresienstadt versprach. Ihnen wurde vorgetäuscht, dass dieser Kauf ihre Pflege sowie sämtlichen Bedürfnisse während ihres Aufenthalts im Ghetto sicherstellen würde. Es wurde ihnen versprochen, dass einige der Unterkünfte auf einen Park blicken und andere eine Aussicht auf einen See haben. Um den Kauf abzuschließen, überschrieben die Juden ihren gesamten Besitz an die Reichsvereinigung. Tatsächlich war dies alles Teil des Betrugs: Das Geld wurde an die Gestapo und damit an das RSHA weitergeleitet. Als die Deportierten Theresienstadt erreichten, mussten die älteren Juden unter den gleichen harten Bedingungen wie alle anderen Ghettobewohner leiden. So finanzierten die Opfer ihre Deportation und weiterführend ihre eigene Ermordung. Tilly Cahn, die Frau des Anwalts Max L. Cahn, schrieb am 15. August, einige Tage vor dem ersten Transport nach Theresienstadt, das folgende in ihr Tagebuch: „Alle Juden aus den Altersheimen kommen nach Theresienstadt, auch sonst die Alten. (..) Das gesamte Vermögen verfällt der sogenannten Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, hinter der aber steht die Gestapo und ist eifrig bemüht den Raub dem Staat, den Finanzämtern, die bisher erbten, zu entreißen. Natürlich wird gesagt, die Geld solle zum Unterhalt in Theresienstadt verwandt werden. Aber wie lange? Es wird ja täglich knapper. Erschütternd, wie gefasst und optimistisch manche der Betroffenen sind...“ Die Deportierten verbrachten einen oder mehr Tage in den überfüllten Sammellagern und schliefen auf dem mit Stroh bedeckten Boden. Die jüdische Gemeinde sorgte für ihre Bedürfnisse, brachte das Gepäck in die Sammellager und half ihnen, die Vermögenserklärungen auszufüllen und die Verträge für den Kauf von “Wohnungen” in Theresienstadt zu unterschreiben etc. So machte die Gestapo die jüdische Gemeinde und die Reichsvereinigung zu Erfüllungsgehilfen der Organisation der Deportationen. Nachdem sie das Altersheim in der Feuerbachstraße besucht hatte, schrieb Tilly Cahn am 16. August 1942 das folgende in ihr Tagebuch: “…eine herzzereißende Tragödie, all die alten, zum großen Teil hinfälligen Menschen, dreifach angezogen, ein Koffer, ein Brotbeutel. Sonntag Nachmittag ab 4 Uhr wurden die alten Menschen auf Last- oder Leiterwagen gesetzt, succescive, und teils nach der Sammelstelle, teils Altersheim Rechneigraben gebracht, mit ihrem Gepäck (...). Dort schliefen sie zwei Nächte, wohl sehr eng, auf Matratzen, es fand die Abfertigung durch die Gestapo statt. Wir durften nicht mehr zu ihnen, obwohl ich es gestern versuchte, mit dem Schupo am Tor sprach. Aber Frau Popper hilft, und ihr konnten wir noch mal Grüße sagen. Jetzt Dienstag 18. August, zwischen 5-6 pm fährt der Zug nach Theresienstadt wohl ab. Es ist mir furchtbar und läßt mich nicht los. Aus der Siechenabteilung des Krankenhauses sind schwer Leidende mitgekommen.” Am Nachmittag des 18. August, einem Dienstag, wurden die älteren Juden in Lastwagen zum Ostflügel der Frankfurter Großmarkthalle an der Hanauer Landstraße gebracht, einem großen Industriegebäude aus dem Jahr 1928. Vom Ostflügel des Gebäudes führten Gleise direkt zum Ostbahnhof. Diese Verbindung zur Eisenbahn veranlasste die Gestapo, die Großmarkthalle als Sammellager zu verwenden, da von dort – nach einer Reihe erniedrigender bürokratischer Vorgänge, darunter körperliche Durchsuchungen – die Juden direkt von Bahnsteig 40 auf den Deportationszug gebracht werden konnten. Am nächsten Tag, dem 19. August, erreichte der Deportationszug Bohusovice, nicht weit von Theresienstadt entfernt. Elf Personen an Bord waren verstorben. Von Bohusovice mussten die älteren Juden ca. drei Kilometer mit ihrem Gepäck nach Theresienstadt marschieren. Die nicht Gehfähigen wurden mit einem Lastwagen in das Ghetto gefahren. In den Büchern des Ghettos wurde dieser Transport als XII/1 verzeichnet, die römische XII steht für Frankfurt am Main. Bis September und Oktober 1942 waren 286 Juden aus diesem Transport schon nach Treblinka geschickt worden. Neun Juden wurden Anfang 1943 in den Osten weiterdeportiert und 48 aus diesem Transport kamen 1944 nach Auschwitz. Egon (Gonda) Redlich, ein 23jähriger Lehrer an einer jüdischen Schule in Prag und Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendfürsorge in der Verwaltung des Theresienstädter Ghettos schrieb am 20. August 1942 das folgende in sein Tagebuch: “Sehr heiss. Gestern haben sie Frauen, die aus Deutschland ankamen, die Kleider abgenommen und sie nackt kontrolliert.Vielleicht wollten sie Gold oder Silber finden. Sie haben den Transport, der das Ghetto verlassen wird, so stark kontrolliert, bis wenige außer den Kleidern auf ihren Rücken nichts mehr behielten.” Am 21. Juli 1944 erstellte Rabbi Leopold Neuhaus – ein jüdischer geistlicher Führer aus Frankfurt am Main – eine Liste der Deportierten aus Frankfurt und stellte fest, dass 44 Juden aus dem ersten Transport in Theresienstadt noch am Leben waren. Während zwei Jahren in Theresienstadt waren 588 Personen aus diesem Transport an Hunger und Krankheiten gestorben und 328 in die Vernichtungslager Treblinka und Auschwitz deportiert worden. Nur siebzehn Personen aus diesem Transport überlebten den Krieg.

Overview
    Anzahl der Transporte im Ereignis : 1
    Train No : Da 503
    Anzahl der Deportierten beim Abtransport : min: 1009,max: 1013
    Anzahl der Deportierten bei der Ankunft : min: 998,max: 1002
    Date of Departure : 18/08/1942
    Ankunftsdatum : 19/081942
    Transportnummer bei der Ankunft : XII/1
    Artikel ID : 5092427